Über die Gräuel des Krieges Bei einer Lesung in der Aula Magna des Haupsitzes gewährte Thomas Casagrande eindrucksvolle Einblicke in sein Buch „Südtiroler in der Waffen–SS“. Der in Frankfurt lebende Autor macht in seinen Vorträgen die Schrecken des 2. Weltkriegs anhand der Biografie seines Vaters, Otto Casagrande aus Neumarkt, nachdrücklich sichtbar. Thomas Casagrandes Recherchen über Kriegseinheiten, Behörden, Gefangenschaften und militärische Suchkarten in diversen Archiven dauerten 20 Jahre lang, zudem erhielt der Autor auch viele private Dokumente für sein Werk, das die Schülerinnen und Schüler der 5. Klassen sichtlich aufwühlte. Der Autor bezeichnet sich selbst als Sohn eines Kriegers und einer Kriegswitwe, die beide vom Grauen des 2. Weltkriegs traumatisiert waren. Die Motivation der jungen Volksdeutschen - unter ihnen zahlreiche Südtiroler wie Otto Casagrande -, ihre Rekrutierung und die Karrieremöglichkeiten bei der Waffen–SS, sowie den Umgang mit der Vergangenheit nach dem 2. Weltkrieg vermittelt Thomas Casagrande sehr authentisch, eindringlich und nachvollziehbar. Bilder, originale Textquellen, Briefe und Fotos machen die Geschichte lebendig und erinnern daran, dass die Vergangenheit nie abgeschlossen ist, nach dem Zitat von William Faulkner: The past is never dead. It's not even past. Es ist wieder Krieg in Europa und die Bilder dieses Krieges unterscheiden sich kaum von jenen vergangener Kriege. Die Schülerinnen und Schüler der 5. Klassen folgten dem persönlichen Zugang des Autors zur Geschichte der jungen Südtiroler Männer in der Waffen–SS sehr interessiert. Einige bedankten sich nach dem Vortrag persönlich bei Thomas Casagrande. Thomas Casagrande mit Bibliothekarin Johanna Hofer. (uni innsbruck) Südtiroler Waffen-SS: Vorbildliche Haltung, fanatische Überzeugung (Edition Raetia, Bozen 2015) Otto Casagrande starb 1990 auf einem Veteranentreffen der Waffen-SS. Für seinen Sohn Thomas war dies der Auslöser, sich intensiv mit der Vergangenheit des ehemaligen SS-Untersturmführers zu beschäftigen. Nach zwanzig Jahren Recherche legt der Autor nun eine erste Studie über Anzahl, Rekrutierung und Verwendung der vielen Südtiroler SS-Freiwilligen vor. Die Südtiroler Rekrutierungsquote der SS liegt im Vergleich zum Deutschen Reich sowie anderen „volksdeutschen“ Gebieten überproportional hoch. Eingesetzt wurden die ersten Freiwilligen in den damaligen „Elitedivisionen“ der Waffen-SS oder in den Wachmannschaften der Konzentrationslager. Später wurden Rekruten eher den Gebirgsjägern zugeteilt oder ab 1943 den Besatzungstruppen in Italien. In Kurzbiografien und dem ausführlichen Lebenslauf Otto Casagrandes werden Motivation und Einsatz der Südtiroler bei der Waffen-SS anschaulich dargestellt. Daraus ergibt sich eine SS-Geschichte „von unten“, die über die Grenzen Südtirols hinaus einen beispielhaften Blick auf die junge Kriegsgeneration und auf die unteren Dienstränge wirft. Thomas Casagrande ist Lehrender an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main im Fachbereich Gesellschaftswissenschaften am Institut für Soziologie. Seine Arbeitsgebiete sind die Institution Schule in ihrer gesellschaftspolitischen Entwicklung im 20. Jahrhundert, Ethnische Identität und Ethnische Konflikte sowie die Waffen-SS. Zu seinen Veröffentlichungen zählen Die volksdeutsche SS-Division ‚Prinz Eugen'. Die Banater Schwaben und die national-sozialistischen Kriegsverbrechen (Campus Verlag, 2003), und „Unsere Gegner haben uns als Deutsche kennengelernt“, in: Jan Erik Schulte, Peter Lieb, Bernd Wegner (Hrsg.): Die Waffen-SS. Neue Forschungen (Ferdinand Schöningh Verlag, 2014).