Landesrat Widmann nimmt Stellung

widmannSehr geehrte Schuldirektoren,

geschätzte Lehrerinnen und Lehrer,

gestatten Sie mir, mit diesem Rundschreiben noch einmal Position zur aktuellen Diskussion um die Arbeitsstunden der Lehrpersonen zu beziehen. Diese Notwendigkeit besteht, da die derzeitigen Schlagabtausche und gegenseitigen Schuldzuweisungen in der Öffentlichkeit keiner Seite dienen und im Gegenteil einen bedenklichen Einfluss auf die Wahrnehmung und vor allem die Motivation einer Berufskategorie haben, die durch die Bildung und Erziehung der Jugend eine der wichtigsten Aufgaben unserer Gesellschaft wahrnimmt.

Um dem entgegenzuwirken, möchte ich hiermit die mir wichtigen Punkte in dieser Thematik klar und unmissverständlich hervorheben:

1. Die Wertschätzung des Lehrerberufs darf nicht in Frage gestellt werden.

In den zahlreichen Stellungnahmen der letzten Wochen von verschiedenster Seite wurden immer wieder zwei Themenbereiche vermischt, die nicht verwechselt werden dürfen: die Diskussion um die geltende Unterrichtszeitregelung bzw. den effizientesten Einsatz bestehender Ressourcen und das Thema der Wertschätzung des Lehrerberufs. Meine Überlegungen in Bezug auf die Unterrichtszeitregelung wurden wiederholt als Missachtung eines ganzen Berufsstandes gewertet; diesen Umstand bedaure ich sehr, er widerspricht ganz klar meiner Überzeugung.

Die gesellschaftliche Bedeutung des Lehrerberufs und der enorme Arbeitsaufwand, der im Hintergrund stattfindet, nicht quantifiziert wird und von jedem einzelnen Lehrer mit den Erfordernissen des Privatlebens vereinbart werden muss, kann und darf von niemandem in Frage gestellt werden. Es ist eine Tatsache, dass eine Arbeit, die nicht auf den Arbeitsort und nicht auf bestimmte, festgeschriebene Stunden beschränkt ist, eine offensichtliche Mehrbelastung mit sich bringt, die keiner zusätzlichen Erklärungen bedürfen sollte. Trotzdem ist es wichtig und richtig, diese Arbeit öffentlich anzuerkennen, ich habe dies in verschiedenen Stellungnahmen getan und werde es auch weiterhin tun.

Der Beruf des Lehrers ist mittlerweile sehr spezialisiert, in die Ausbildung und Vorbereitung wird enorm viel Zeit investiert; trotz dieser hohen Qualifizierung fehlt es an langfristigen Perspektiven und sind die Lehrpersonen andauernd wechselnden Rahmenbedingungen ausgeliefert. Als Vater von vier Kindern habe ich mitverfolgen können, wie Bewertungsverfahren und Unterrichtsmethoden kontinuierlich gewechselt, immer wieder neue Projekte experimentiert, Fortbildungsvorgaben und pädagogische Leitlinien wiederholt verändert wurden. Es ist verständlich und nachvollziehbar, wenn jede weitere Änderung der Arbeitsbedingungen zu Unmut, Verunsicherung und Sorgen im Hinblick auf die Zukunft führt. Das soll unbedingt vermieden werden. Daher stehe ich voll und ganz hinter meiner nächsten Aussage:

2. Keine Neuregelung der Unterrichtszeiten darf eine Mehrbelastung der Lehrpersonen zur Folge haben, die Unterrichtsqualität gefährden oder zum Verlust bestehender Arbeitsplätze führen.

Jede Überarbeitung bestehender Normen muss in einem konstruktiven Dialog unter Einbeziehung aller Interessensvertreter erfolgen. Es liegt mit fern, eine einseitige Neuregelung zu erlassen, die von den direkt Betroffenen nicht mitgetragen werden kann.

In keinem Fall sind Entlassungen geplant; vielmehr soll der angestrebte Veränderungsprozess eine qualitative Aufwertung im Sinne einer Entschleunigung der Schule bewirken, von der Lehrer und Schüler gleichermaßen profitieren. Es geht schlicht und einfach darum, die bestehende Situation zu hinterfragen und auf Verbesserungspotenziale zu untersuchen, um anschließend klare, sinnvolle und von allen mitgetragene Lösungen auszuarbeiten. Diesen Weg sollten wir gemeinsam gehen. Daher werde ich mich so bald wie möglich mit den Gewerkschaften treffen, möchte aber auch das direkte Gespräch mit den Lehrern selbst suchen.

Abschließend will ich noch eine Tatsache hervorheben: Erziehung ist eine essentielle Investition in die Zukunft eines Landes. Gerade in Südtirol ist ein gutes Bildungssystem von grundlegender Bedeutung, da wir in Bezug auf die Verfügbarkeit von qualifizierten und akademischen Fachkräften großen Aufholbedarf haben. Auch deshalb ist es wesentlich, dass wir diesen Bereich ohne Beeinflussung von außen gestalten zu können. Ein Grund mehr, sich gerade auch in diesem Bereich für mehr Kompetenzen und eine Stärkung der Autonomie einzusetzen.

Der Landesrat

Dr.Thomas Widmann

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